Rheuma. Als ich mit Anfang 20 die Diagnose erhielt, konnte ich es nicht fassen, hielt das Ganze für einen schlechten Scherz. Aber die Realität holte mich schnell ein: Gnadenlos schritt diese unheilbare Krankheit voran und verursachte Schwellungen, Schmerzen und Entzündungen. Mein Immunsystem flippte regelrecht aus und übernahm immer mehr die Kontrolle über meinen Körper: Meine Finger verformten sich, Gelenke versteiften, sogar mein Lungenvolumen wurde in Mitleidenschaft gezogen.
Wenn du so am Boden bist, verzweifelt, hilflos, fast ohnmächtig gegenüber einer scheinbar übermächtigen Krankheit (die selbst durch aggressive Medikamente nicht in Schach zu halten ist) ist das letzte, was du hören willst:
„Aber hast du´s mal mit Ernährung versucht?“
All die nett gemeint zugesandten Screenshots von Artikeln in Zeitschriften oder der Verweis auf eine aktuelle Folge der „Ernährungsdocs“ mit Schwerpunkt Rheuma führten eher zu genervtem Augenrollen auf meiner Seite und dazu, dass ich den Einfluss von Ernährung auf eine chronische Erkrankung wie Rheuma ungeachtet in die Hokus-Pokus-Ecke abschob – und mit Missachtung strafte. Ich für meinen Teil hätte niemals für möglich gehalten, dass an diesem Ganzen Ernährungsmythos irgendetwas dran ist.
Was soll ich sagen: Heute lebe ich nach einem aggressiven Krankheitsverlauf weitestgehend symptomfrei – und der Schlüssel (neben so wichtigen Punkten wie Akzeptanz, Bewegung und Mindset) war für mich ganz klar meine Ernährung. Wie gerne hätte ich das früher gewusst!
Inhaltsverzeichnis
Die Macht der Ernährung bei Rheuma
Direkt vorneweg möchte ich schon mal klarstellen: Es gibt keinen allgemeingültigen Ernährungsplan, der bei jedem Rheumakteur universell „anschlägt“ und die gleichen positiven Veränderungen mit sich bringt. Viel zu vielschichtig ist der rheumatische Formenkreis. Viel zu komplex sind individuelle Krankheitsgeschichte, Lebensumstände und Physiologie jedes Einzelnen.
Aber: Es gibt durchaus grundlegende Erkenntnisse an denen man sich orientieren und Empfehlungen, die man ausprobieren kann um herauszufinden, wie genau der eigene Körper reagiert. Dieses Gefühl, eigenverantwortlichen Einfluss auf die Krankheitsaktivität nehmen zu können ist unbeschreiblich und der erste Schritt zurück zu mehr Lebensqualität bei Rheuma.
Weizen – mein Stein des Anstoßes
Für mich persönlich brachte der Verzicht auf Weizen den Stein ins Rollen. Eine wirklich sehr inspirierende Begegnung führte dazu, dass ich im Rahmen einer Eliminations-Diät auf Gluten verzichtete und bereits nach kurzer Zeit einen merklichen Rückgang der Entzündungen und Schwellungen, insbesondere in meinen Händen bemerkte.
Ich möchte an dieser Stelle nicht allzu tief einsteigen – aber während ich Dinkel, Roggen & Co. bei der Wiederaufnahme in meinen Speiseplan sehr gut vertrug, löste der Verzehr von Weizen sofort eine Reaktion und einen Anstieg der Krankheitsaktivität aus. Seitdem verzichte ich konsequent auf Weizen in meiner Ernährung und habe neben vielen fantastischen Mehlalternativen aus Grünkern, Buchweizen, Erdmandel, Banane oder Kokosnuss auch Urkornsorten wie Emmer, Einkorn und Kamut in meinen Speiseplan aufgenommen.
Weitere wichtige Punkte in meiner Ernährung bei Rheuma
Tierische Produkte
Heute lebe ich weitestgehend pflanzenbasiert. Das bedeutet, Fleisch, Fisch, Milch und Milchprodukte wie Käse, Quark und Co. sowie Eier kommen nur sehr selten (und wenn, dann nur in wirklich guter Qualität) auf den Tisch. Tierische Produkte enthalten meist einen hohen Anteil an Arachidonsäure. Eine Fettsäure, die zur Bildung entzündungsfördernder Botenstoffe beiträgt. Gerade in Bezug auf eine chronisch entzündliche Erkrankung wie Rheuma also ein guter Ansatzpunkt.
Zu Beginn meiner Ernährungsumstellung habe ich hier nach der Entweder-Oder-Manier gehandelt: Entweder ein Ei ODER Wurst auf dem (Dinkel-)Brot. Entweder ein Stück Fleisch ODER der Sahnequark zum Nachtisch. Mit der Zeit ernährte ich mich dann irgendwie aus Versehen vegan – und blieb dabei. Weil es meinem Körper unfassbar gut tut und ich mich auch persönlich immer besser mit der Einstellung dahinter identifizieren kann.
Verarbeitete Produkte
Ich habe schon immer sehr gerne und viel gekocht. Der Einsatz von frischen, unverarbeiteten Produkten war also eigentlich nichts, das ich hätte umstellen müssen. Trotzdem wurde mir durch das Auseinandersetzen mit dem Thema Lebensmittelindustrie erst so richtig bewusst, warum hoch verarbeitete Lebensmittel keine wirklich gute Alternative sind. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn auf der Zutatenliste Dinge stehen, die deine Oma nicht kennt, kennt sie auch dein Körper nicht.
Im Zweifel werden diese Stoffe dann irgendwo zwischengelagert, behindern andere Stoffwechselprozesse – und stellen damit eine Art Nebenkriegsschauplatz dar, den du als Rheumakteur eigentlich so gar nicht gebrauchen kannst. Außerdem enthalten natürliche Lebensmittel, in der richtigen Weise zubereitet, meist viel mehr wichtige Nährstoffe, die dein Körper dringend braucht, um freie Radikale in Schach zu halten, dein Immunsystem zu stärken oder entzündungshemmende Botenstoffe zu bilden. (Hoch) Verarbeitete Lebensmittel hingegen liefern stattdessen oft zu viel Fett, zu viel Zucker und zu viele „leere Kohlenhydrate“ ohne wesentlichen Mehrwert.
Vitamine und Mineralstoffe
Als Rheumakteur kann es sein, dass der Körper einen bis zu 35% höheren Nährstoffbedarf hat. Das kann an Medikamenten liegen, die zum Einsatz kommen. Oder an einer angeschlagenen Darmflora. Auch die Krankheitsaktivität spielt eine Rolle. Ich konnte damit am Anfang nicht so wirklich viel anfangen, fand aber dann heraus, dass es durchaus einige Vitamine und Mineralstoffe gibt, die insbesondere beim rheumatischen Organismus eine wesentliche Rolle spielen. Ich lasse daher regelmäßig meine Blutwerte überprüfen (leider eine Privatleistung, aber das ist es mir wert) um mit meiner Ernährung eventuelle Defizite auszugleichen.
Im Internet gibt es eine Menge Informationen rund um Lebensmittel, die besonders reich an diesem oder jenem Nährstoff sind. Zusätzlich achte ich aber auch auf die erhöhte Aufnahme von einigen relevanten, Vitaminen und Mineralstoffen. Zu den Vitaminen zählen dabei beispielhaft: Vitamin C (wichtig für starke Knorpel und Gelenke und die antioxidative Abwehrkraft), B12 (Hemmung von Entzündungsbotenstoffen), Vitamin D (eine Unterversorgung kann entzündliche Prozesse anfeuern), Vitamin E (kann Gelenke vor weiterer Zerstörung schützen), Vitamin B5 (kann Gelenksteifigkeit entgegenwirken).
Sekundäre Pflanzenstoffe
Neben Vitaminen und Mineralstoffen sind es die wunderbaren, sekundären Pflanzenstoffe, die mich dazu gebracht haben, vermehrt zu Obst, Gemüse, Knollen, Nüssen und Getreide zu greifen. Zusammenfassend kann man sagen, dass sekundäre Pflanzenstoffe so etwas wie das Immun-Sonderkommando in der Ernährung sein können. Über 10.000 verschiedene Substanzen können die Körperzellen schützen, Entzündungen und Schwellungen entgegenwirken und Schmerzen lindern.
Wie genau das funktioniert ist auch den Menschen nicht so ganz klar, die sich tagaus, tagein auf wissenschaftlicher Ebene damit befassen. Es scheint aber fast so, als ob gerade das Zusammenspiel möglichst vieler verschiedener Substanzen positive Effekte auf unsere Gesundheit hat. Ein weiterer Grund also, immer öfter zu pflanzlichen Lebensmitteln zu greifen.
Fette
Wie bereits bei den tierischen Produkten kurz angerissen, gibt es verschiedene Fettsäuren in unserer Ernährung. Vorneweg möchte ich noch einmal klar stellen, dass Fett nicht automatisch fett macht! Wie immer kommt es hier zum einen auf die Dosis an (die Menge macht das Gift) sowie auf die jeweilige Fettsäure. Unsere Nahrungsfette bestehen aus einer Kombination verschiedener Fettsäuren, die alle ihre Daseinsberechtigung haben und speziellen Aufgaben in unserem Körper nachgehen. Vor allem sind Fette wichtig für den Transport von Vitaminen, für den Immunstoffwechsel und den Hormonhaushalt.
Während die schon erwähnte Arachidonsäure das Bilden von Entzündungsbotenstoffen ankurbelt, gibt es noch weitere Fettsäuren in unserer Ernährung, von denen einige sogar entzündungshemmend wirken. Hier ist die Rede von Omega 3 (Standardsortiment in jeder Drogerie und Apotheke z.B. als Fischölkapsel). Hier kommt jetzt der Hintergrund, warum du mit deinem Arzt über eine Supplementierung sprechen solltest: Omega 3 kann als direkter Gegenspieler der Arachidonsäure gesehen werden. Die ungesättigte Fettsäure kann den potenziell schädlichen Einfluss der entzündungsfördernden Fettsäure relativieren.
Ernährung bei Rheuma: Fazit
Tatsächlich ist es mittlerweile so, dass ich meine Ernährung nicht als Verzicht auf dies oder das wahrnehme – sondern als experimentelle und bunte Küche, die (wenn ich mal ehrlich bin) so viel abwechslungsreicher ist, wie noch vor ein paar Jahren. Auf Kunzella´s Kitchen versuche ich andere an dieser Begeisterung teilhaben zu lassen und blogge über die Ernährung bei Rheuma, die Spaß macht! Ich unterwerfe mich keinen Verboten – sondern achte auf meinen Körper und finde es großartig, immer neue Lebensmittel zu entdecken, die mir gut tun! Alles eine Sache des Blickwinkels!
Während ich mit Anfang 20 kaum laufen konnte und mich hilflos dieser unheilbaren Krankheit ausgeliefert sah, fühle ich mich heute stark und auch ein stückweit stolz. Ich habe es geschafft, meinen Weg zu finden – und zu gehen. Die Macht der Ernährung hat mir gezeigt, dass ich sehr wohl Einfluss nehmen kann. Und das tue ich. Tag für Tag lerne ich meinen Körper und die Krankheit besser kennen. Weil ich wieder hinhöre, mich bewusst damit auseinandersetze, was mir gut tut – und was nicht.
Es gibt noch viele weitere Säulen, auf denen ein eigenverantwortlicher Umgang mit Rheuma und der Weg zur persönlichen Bewältigungsstrategie ruhen. Aber die Ernährung ist so etwas wie die Basis. Etwas mit Substanz. Natürlich ist auch die Ernährung kein Zaubermittel, das Rheuma heilt (ich kann mich da nur wiederholen: Rheuma ist unheilbar!). Eine echte Ernährungsumstellung klappt auch nicht von heute auf morgen sondern braucht Zeit und muss Stück für Stück erarbeitet werden. Aber die Ernährung kann Entzündungen hemmen, Schwellungen reduzieren, Schmerzen lindern, Abwehrkräfte stärken und Gelenke schützen. Und das ohne Risiken und Nebenwirkungen. Wenn das nicht mal ein Grund ist, der Sache doch eine Chance zu geben!
KLICK: Sichtweise bei Rheuma ändern, Lebensqualität zurückgewinnen
Der Ratgeber Klick: Sichtweise bei Rheuma ändern, Lebensqualität zurückgewinnen von Daniela Kunz, selbst von der Erkrankung Rheuma betroffen, ist bei kivani. Verlag und Medien als Taschenbuch und als eBook erhältlich.
Auf unterhaltsame Weise vermittelt der Ratgeber persönliche Erfahrungen sowie umfassendes Wissen zu den Themen Ernährung, Bewegung und Mindset mit dem Ziel, Lebensqualität zurückzugewinnen.
Daniela Kunz
https://www.kunzellas-kitchen.com
Daniela ist seit 15 Jahren selbst von Rheuma betroffen. Sie ist Bloggerin, Autorin und Ernährungsberaterin. Mit viel Herzblut und Engagement verhilft sie anderen zu mehr Lebensqualität mit Rheuma.